ARMIN SCHREIBER |
KUNST-PATERNOSTER |
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Theodore Lux Feininger: Meeresleuchten | |||
Seinen Vater Lyonel Feininger (1871 - 1956), in New York geboren und
erster Bauhaus-Meister in Weimar, kennt fast jeder. Zumindest dessen
1906 erschienenen Comic
„The Kin-der Kids“ oder die kubistisch angehauchten, ins Neu-Mystische
der 20er Jahre weisenden Gemälde von Kirchen und Marktplätzen deutscher
Kleinstädte. Den Sohn Theodore Luke (genannt „Lux“) hingegen, Geburtsort
Berlin-Zehlendorf, heute in Cambridge/Massachusetts lebend und im Juni
100 Jahre alt geworden*, hat kaum jemand auf der Liste! Dabei
verabreichte „Das Kunstblatt“ (Paul Westheim) dem 20-jährigen bereits
1930 erste Meriten und eine glänzende Prognose: Einen jungen Künstler
nannte er ihn, „dem malerische Gestaltungsfähigkeit im Blute liegt und
der auch ganz danach geartet scheint, eine eigene Spezies zu
entwickeln.“
Hat er entwickelt, und zwar mit beachtlicher Resonanz bei Publikum und
Kritik! Das aber reichte offenbar nicht, seinen Namen dauerhaft zu
etablieren. Auch, daß er bei
Walter Gropius´ Neujahrsfete (1919) seine erste Zigarette geraucht,
bei Lehrern wie Paul Klee, Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer
studiert, zudem in der Bauhauskapelle Banjo und Klarinette gespielt hat,
biografische Entitäten, die über die 50-iger Jahre hinaus als Wert an
sich galten und eine Kunstkariere durchaus sichern konnten, blieben in
seinem Fall folgenlos.
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"Skippers Daughter", 1933
Für die Beantwortung der Warum-Frage gibt der Katalog zur Ausstellung
der Kieler Kunsthalle einen
Hinweis. Verzeichnet nämlich ist nur, was T. Lux Feininger von 1929 bis
1942 fabrizierte, nichts von den Arbeiten, die danach entstanden sind!
Hatte auch ihn jener Virus – freigesetzt durch die katastrophalen
Ereignisse nach Hitlers Machtergreifung – befallen, der den Künstlern
die inneren Bilder, ihre neu gewonnene Formensprache, generell: das
Grundvertrauen in die autonome
Kraft der Kunst zersetzte? Wie Otto Dix, der nach seiner
Verbannung in die Landschaft nicht mehr die Energie zu bildnerischer
Attacke aufbrachte oder Christian Schad, der bei fernöstlicher
Philosophie Zuflucht suchte, fühlte sich T. Lux Feininger „entwurzelt
und aller Orientierung beraubt“ und landete bei C. G. Jungs Archetypen.
Malte Schlangen und Reptilien etc., Bilder, die nicht an das Frühwerk
heranreichen.
Aber dieses Frühwerk: Während die Werke der Neuen Sachlichkeit das
Haftmannsche Diktum, die Kunst sei abstrakt geworden (1959), überlebten
und in den 70er Jahren wieder ins Gerede kamen, konnte der Mainstream,
blind in Bezug auf formale Qualitäten, seine Sujets – gegenständlich und
dann auch noch Segelboote – offenbar nicht mitschwimmen lassen. Gerade
die Art der Umsetzung jedoch macht diese „Genrebilder“ zu einem
Faszinosum, auch für Betrachter, die mit Maritimem nichts am Hut haben.
Sie entstammen inneren Arealen, in denen Kindheitseindrücke,
Erinnerungen des Vaters und Literatur en masse (u.a. Conrad, Melville)
gespeichert sind, realisiert über die Zusammenführung von Kandinskys
„großer Abstraktion“ und „großer Realistik“, die hier vor allem durch
die neue „Sicht der Kamera“ präsent ist. Gemeint sind
Ölbilder wie „Brigg ´Ole Hoop´“, „Skipper´s Daughter“ oder „Perle
des Ozeans": Bevor man narrative Elemente und dingliche
Details registriert, vermittelt sich die Atmosphäre eines legendären
Paralleluniversums über das (meist) dramatische Zusammenspiel der Formen
und Farben – direkt!
* Theodore Lux Feininger ist am 7.7.2011 verstorben
Konkret 8/2010
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