ARMIN SCHREIBER
KUNST-PATERNOSTER
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 Fontaine-Guérard, Normandie

 

Hildegard von Bingen (1098 - 1179), hier dargestellt im Zustand einer Inspiration, war die   herausragende Vertreterin der religiösen  Renaissance während des 11. und 12. Jahrhunderts, die u.a. auch zur Gründung des Zisterzienserordens führte. Sie veränderte nicht nur das Mönchswesen, sondern erfaßte auch weibliche Laien, vornehmlich Frauen aus Adelskreisen und des städtischen Patriziats, die aber nicht – wie der Kardinal Jacob von Vitry (1170-1240) notierte – in die Klöster gingen, um versorgt zu sein, sondern um ein Leben in Askese und Keuschheit zu führen: „Jungfrauen von edlem Geschlecht wiesen angetragene Ehebündnisse zurück, verließen ihre vornehmen Eltern und alle lockenden Genüsse der Welt […] und verbanden sich mit Christus, dem Bräutigam der Jungfrauen, in Armut und Niedrigkeit.[…] Es eilten Witwen herbei und verheiratete Frauen, die mit Einwilligung ihrer Männer die Ehe in eine geistliche verwandelten.“1

Notre-Dame de Fontaine-Guérard

In der Normandie, am Fluß Andelle, liegen die Überreste der Abbaye Notre-Dame de Fontaine-Guérard, eines 1135, vermutlich im Zuge jener religiösen Wiederbelebung gegründeten Frauenklosters, das ab 1207 dem Orden der Zisterzienser angehörte; 1790 – nach der Französischen Revolution – aufgelöst wurde und deren Ruinen (Denkmalschutz seit 1937) als „Juwelen anglo-normannischer Gotik-Architektur“ gelten. 

 

 

 

Im Frühsommer 2011 hielt sich Schwering für drei Tage in Fontaine Guérard auf. Offensichtlich hat ihn das besondere Fluidum der Abtei stark beeindruckt und in dem Zusammenhang vor allem die Fassade des Kapitelsaals, die etwas von der mentalen Grundstimmung zu vermitteln scheint, die das Leben und Wirken der damaligen Bewohnerinen prägte.

Um diese Empfindung via Bild zu bannen, werden, wie in Le Thoronet, auch hier, in Fontaine Guérard, die realen Gegebenheiten leicht verändert: Schwering reduziert den Abstand zwischen der naturbelassenen Quelle im unteren - und dem Kapitelsaal im oberen Bilddrittel. Dadurch erweitert sich der fokussierte Bereich des Gebäudes. Das Objekt wird gewichtiger, steht – so könnte man sagen – auf größeren Füßen. Zugleich kommen Einzelheiten der Fassade wie die Kragsteine, vor allem die spitzbögigen Arkaden, die filigrane Ausformung der Bündelpfeiler und Kapitelle sowie die Lebendigkeit suggerierenden Effekte von Licht und Schatten deutlicher zum Vorschein. Im Zusammenspiel der Veränderungseffekte ergibt sich eine spezifische Anmutung: Stabil und leicht.

Bernd Schwering, Fontaine-Guérard, 2011

In Verbindung mit sommerlichem Mittagslicht, mit der Wildnis en miniature im Vordergrund, mit dem sich anschließenden Leuchtgrün der Wiese und dem von rechts und links ins Bild einschwebenden Blattwerk –, unter Mitwirkung auch des dunklen Raums hinter den Arkaden und des Durchblicks auf die Flora des rückseitigen Areals, wird etwas von der heiteren Gewißheit spürbar, die die Nonnen bei ihrer klösterlichen Arbeit, ihrer „Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes“, begleitet haben mag. 



1 Ambrosius Schneider, Adam Wienand, Wolfgang Bickel, Ernst  Copester (Hrsg.), Die Cistercienser , Köln, 1977

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