ARMIN SCHREIBER
KUNST-PATERNOSTER
 Index    Home   Klosterbilder  Huerta  Impressum   Links

 Santa Maria de Huerta, Kastilien-León, Spanien

Kreuzgang der Abtei

Das Kloster wurde 1144 von Kaiser Alfons VII. zunächst in Cántabos, einem alten Pilgerort, gegründet, und zwar in Erfüllung eines Versprechens, das er zwei Jahre vorher im Zuge der Eroberung  einer von den Mauren besetzten Stadt gegeben hatte. Kurz darauf  erwarben die Mönche den Gutshof Huerta am Ufer des Rio Jalón (30 km südlich) und hier, in der Nähe von Salamanca, wurde die Abtei 1162 neu gegründet und aufgebaut. Nach Auflösung der Klostergemeinschaft (1833) konnten die Gebäude Dank des Engagements der Familie Cerralbo vor ihrer Zerstörung bewahrt werden. Seit 1930 beten und arbeiten dort Trappisten (Zisterzienser der strengen Observanz).

Zu den imposantesten Gebäuden aus dem 12. und 13. Jahrhundert gehört neben dem gotischen Kreuzgang und der Kirche das Refektorium der Mönche: ein 35 m langer, 15 m hoher Saal mit sechsteiligem Gewölbe, zahlreichen Bogenfenstern und einer bemerkenswerten Rosette auf der dem Kreuzgang zugewandten Seite.

Schwering nimmt sein Motiv vom hinteren Teil der Halle aus ins Visier, wobei sich seine Position nicht in der Mitte, sondern links neben der Symmetrie-Achse befindet. Abgesehen davon, daß die Veränderung des Blickpunktes für eine Belebung des Raumgefühls sorgt, erscheint die linke Wand etwas gestaucht; leicht gestreckt dagegen die gegenüberliegende Seite. Infolge dieses Eingriffs kommen die Fensterfüllungen links nicht ins Bild. Sichtbar ist allein das Mauerwerk. Und da die Fenster im mittleren Teil der rechten Wand aufgrund der perspektivischen Verschiebung außerhalb der Bildbegrenzung bleiben, wird  das rechte Drittel des Motivs durch das wuchtige, in sich ruhende, in leicht changierenden matten Rotockertönen gehaltene  Mauerwerk dominiert. Hier wie im gesamten Refektorium herrscht indirekte Beleuchtung: Kein Gezappel also von Lichtreflexen und Schlagschatten, das der visuellen Lautlosigkeit entgegenwirken könnte. Und was ansonsten noch imstande wäre, den Blick in Bewegung zu halten, wurde weitgehend zurückgenommen. So treten die farbigen Bleiglasverzierungen in den Fenstern der Stirnseite wie auch das plastische Dekor im oberen Teil der Seitenwandungen kaum in Erscheinung. Der Raum schweigt.

Klingt etwas pathetisch und stimmt auch nicht ganz. Dem unteren Teil der rechten Mauer nämlich ist ein Blickfang implementiert, dessen Vielgestaltigkeit für Aufsehen sorgt, auch im konkreten Sinne des Wortes, denn es handelt sich um eine mit reliefartigen Ornamenten verzierte Kanzel, die über einem in die Wand eingelassenen Arkadenaufgang zu erreichen ist.

Kurzum: Das gesamte Ambiente wirkt wie ein imposanter Bühnenraum, dessen Architektur und Dekor die Handlung quasi vorgeben, wobei das Ritual im Wesentlichen durch drei Elemente bestimmt wird: Gemeinsame Mahlzeit, Schweigegebot, Lesung.

 

  xxxx
xxxx
Bernd Schwering, Huerta, 40 x 40 cm, 2016

Refektorium leitet sich ab vom lateinischen refectio, steht also für „Labung“, „Wiederherstellung“, „Erquickung“. Was zu diesem Zwecke vorgesehen war, ist dem 35. Kapitel der Regula Benedicti zu entnehmen: „Zwei gekochte Speisen sollen für alle Brüder genügen, und wenn noch Obst oder junges Gemüse zu haben ist, so werde ein drittes Gericht dazu gegeben. Ein gut gewogenes Pfund Brot (327 g) soll für den Tag ausreichen, ob man nur einmal ißt oder zu Mittag und zu Abend. Ißt man auch zu Abend, so behalte der Cellerar den dritten Teil dieses Pfundes zurück, um es beim Abendtisch zu geben…“. Und was den  Weinkonsum betrifft, so war nach Benedikt „für jeden täglich eine Hemina (0,274 Liter) ausreichend.“

Darüber hätte man im Kapitelsaal oder Parlatorium eventuell streiten können, nicht aber im Refektorium, denn hier galt wie in allen anderen Bereichen des Klosters –„ auf daß ich nicht fehle mit meiner Zunge“ – das Schweigegebot.  Das allerdings führte, für jeden vorstellbar, zu kniffligen Situationen. Was tun, wenn etwa Bruder XY beim Mittagsmahl versehentlich sein Brot nicht bekam? In diesem Fall durfte er schweigend reden, nämlich, „einen Kreis mit beiden Daumen und jenen beiden Fingern, die ihnen folgen“ machen, und zwar deshalb „weil das Brot rund ist.“ Wein wurde durch einen „gebogenen Zeigefinger über der Nase“ dargestellt, Milch, indem man die Lippen mit dem kleinen Finger berührte „wie wenn ein Kind die Muttermilch säugt.“ Wem diese Gebärde peinlich war, konnte das Zeichen für „Melken“ verwenden.

Mehr als 100 solcher Zeichen waren im Umlauf. Sie trugen mit dazu bei, daß während der Mahlzeiten Ruhe herrschte, auch jene innere Stille eintrat, die das Ritual des gemeinsamen, an das Abendmahl anknüpfenden Essens erforderte. Die auch nötig war, um der Lesung zu folgen, die der wöchentlich wechselnde Lektor von der Kanzel aus zu Gehör brachte. Nach der Einleitung durch ein Gebet wurden Passagen aus der Bibel, aus apokryphen Schriften und literarisch-theologische Texte vorgetragen oder, an deren Gedenktagen, Legenden bzw. Lebens- und Passionsberichte der Heiligen. Mit dem Segen des Vortragenden endete die tägliche Gewährung dessen, was über Jahrhunderte hinweg missverständlicher Weise „unser tägliches Brot“ genannt wird, in der

Werkstatt Pieter Coecke van Aelst d. Ä. (um 1530), Der hl. Hieronymus in seiner Studierstube,(erstens, klar, die Vergänglichkeit bedenkend und zweitens, vermutlich, den Terminus "supersubstantialis" ?)

Vulgata von Hieronymus (um 400 ) als „panem nostrum supersubstantialis“, als – wortwörtlich übertragen – „unser überwesentliches Brot“ 1 zu Papier gebracht ist und wohl am besten in der Formulierung der Katharer zum Ausdruck kommt: „unser überirdisches Brot“! 



[1] Eckhard Nordhofen, Brot: Ein hapax für jeden Tag, in: Merkur 824, S. 89

 

 





 
ÜBERSICHT