ARMIN SCHREIBER |
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Great Coxwell Barn, Oxfordshire, England |
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Bestimmung des Generalkapitels von 1134, Kap. 15:
„Woher
die Mönche ihren Lebensunterhalt nehmen: Die Mönche unseres Ordens
müssen von ihrer Hände Arbeit, Ackerbau und Viehzucht leben. Daher
dürfen wir zum eigenen Gebrauch besitzen: Gewässer, Wälder, Weinberge,
Wiesen, Äcker abseits der Siedlungen der Weltleute, sowie Tiere. Zur
Bewirtschaftung können wir nahe oder ferner beim Kloster Höfe haben, die
von Konversen beaufsichtigt und verwaltet werden.“
Great Coxwell Barn Great Coxwell Barn, eine Zehntscheune aus dem 13. Jahrhundert, war Teil eines solchen Hofes. Das Anwesen in Oxfordshire gehörte zur 1203/04 von Johann Ohneland gegründeten und von 30 Zisterziensermönchen aus Cîteaux besiedelten Abtei Beaulieu an der Südküste Englands.
Beaulieu Abbey, Hampshire
Zum Bau von Great Coxwell Barn wurden Materialien der Region verwendet:
Jura-Kalkstein (voller versteinerter Seeigel) aus Cotswolds und zur
Bedachung Schiefer aus Stonesfield, was dem Gebäude eine besondere
Ausstrahlung verleiht, wobei auch die Architektur (ich komme darauf
zurück) eine wichtige Rolle spielt. William Morris (1834-1896),
Präraffaelit und Mitbegründer der Arts-and-Crafts-Bewegung, die im
Zeitalter maschineller Produktion eine Rückbesinnung auf handwerkliche
Tugenden, auf Einfachheit und ernsthaften Umgang mit natürlichem
Material forderte, nannte sie „unnachahmbar in ihrer Würde“, und „schön
wie eine Kathedrale.“ In Schwerings Konvolut steht Great Coxwell Barn für die Ambivalenz des zisterziensischen "Wirtschaftswunders“. Die Grangie
- 44 m lang und 12 m breit – wurde offensichtlich nicht nur als
Getreidespeicher, sondern auch als Dreschplatz genutzt. Dabei scheint
die Furcht der Mönche, daß während der Arbeit Getreide abhanden kommen
könnte, sehr groß gewesen zu sein, denn es existierten genaue
Verhaltensmaßregeln: So mußte vor Arbeitsbeginn die zu erwartende
Kornmenge geschätzt und dann mit dem Ertrag verglichen werden; zudem
waren Taschen und Kleider, ja, selbst die Schuhe der Arbeiter sorgfältig
zu kontrollieren.
Great Coxwell Barn: Blick in die Scheune Wie ansonsten auf Great
Coxwell Barn gewirt- schaftet wurde, läßt sich anhand von
Buchungsunterlagen der Beaulieu Abbey aus dem Jahren 1269-70
rekonstruieren, wobei über die Anzahl der Konversen nichts bekannt ist,
wohl aber, wie viele Arbeiter ständig beschäftigt waren: acht Pflüger,
zwei Fuhrmänner, Heuwart, Förster, Bäcker, Käsemacher, Portier, Koch
plus Küchenjunge, Schweinehirt und Kuhhirt sowie drei Schafhirten.
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Man produzierte Saatgut und Tierfutter, hielt wie die meisten Grangnien
Englands Schafe (wegen der Wolle), daneben Schweine, Rinder (Fleisch,
Leder, Milchprodukte), zudem Fische und Bienen. Die Erzeugnisse, sofern
sie nicht der Selbstversorgung dienten, wurden verkauft; die Erträge
landeten in der Abtei. Die kleineren Klöster Südenglands, zu denen auch Beaulieu gehörte, besaßen 10 - 15 Grangien, wobei die Schafzucht an vorderster Stelle stand. Die Wolle wurde bis nach Italien exportiert, ein Geschäft, das offenbar erhebliche Gewinne abwarf. Interessant in dem Zusammenhang: Mehr als ein Drittel des Lösegeldes für Richard Löwenherz (1193) war von den englischen Klöstern aufzubringen.2 Bei der Vermarktung ihrer Erzeugnisse spielten
die klostereigenen Stadthöfe eine wichtige Rolle. Deren Einnahmen
setzten sie in die Lage, Produkte zu kaufen, die sie selbst nicht
herstellen konnten. Vor allem aber brachten sie den Klöstern Geld für
bauliche Maßnahmen und für den Zukauf von Ländereien. Dabei profitierten
sie von Privilegien (Zoll- und Steuerbefreiung), die sie vom jeweiligen
Landesherren erhalten bzw. mit den Städten ausgehandelt hatten. Dieser
Umstand führte häufig zu Konflikten, so z.B. 1297 in Würzburg: Die Stadt war hoch
verschuldet, die Bürgerschaft verlangte von den auswärtigen Klöstern
einen Beitrag zum Abbau der Fehlbeträge. Konkret: Sie sollten Abgaben
von jedem eingeführten Scheffel Korn und jedem Fuder Wein (ca. 1000
Liter) entrichten. Als sich die Zisterzienser mit Verweis auf ihre
Privilegien weigerten, wurde die Ratsglocke geläutet. Man stürmte die
Höfe, transportierte die eingelagerten Waren ab, verkaufte sie auf dem
öffentlichen Markt, übergab das Geld der Stadtkasse und konfiszierte die
Klosterhofschlüssel. Der Bischof – um es kurz zu machen – stellte sich
auf die Seite der Zisterzen: Über die Stadt verhängte er das Interdikt.
Fortan wurde jedwede gottesdienstliche Handlung eingestellt: Keine
Taufen, Trauungen, Beerdigungen; keine Beichte und Vergebung der Sünden!
Auch in weltlichen Belangen kam es zu diversen Dilemmata. Den Würzburger
Kaufleuten, denen der Weinhandel sehr am Herzen lag, fehlte der
Nachschub seitens der Klöster. Was letzten Endes den Ausschlag gegeben
hat, ist nicht überliefert: Nach zwei Jahren jedenfalls gaben die Bürger
nach.3
Daß auch andernorts und früher schon das Verhalten von Zisterziensern heftig kritisiert wurde, zeigt – 1220 wiedergegeben von dem Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach – eine Äußerung Kölner Bürger zum Tod von Ordensbrüdern, die unter die Räuber gefallen waren: „Recht ist ihnen geschehen. Sie sind habgierig, sie sind Kaufleute. Gott kann ihre Habsucht nicht dulden." |
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Bernd Schwering, Great Coxwell Barn, 40 x 50cm, 2012 Walter Map, englischer Gelehrter, Archidiakon in
Oxfford und 1179 Delegierter beim 3. Laterankonzil, (wo u.a. das
Mindestalter für Bischöfe auf 30 Jahre festgelegt wurde), bringt das
Problem der Zisterzienser auf den Punkt: „Unser Gott sagt: Niemand kann
Gott dienen und gleichzeitig dem Mammon. Ihrer sagt: Niemand kann Gott
dienen ohne den Mammon.“
Vermutlich haben so auch
die Verfasser der Ecclesiastica Officia, dem „Gebräuchebuch“ der
Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert gedacht, als sie die folgende
Modifikation des Rituals erlaubten: „Wenn sie sich morgens beeilen
müssen, zur Arbeit zu kommen, kann der Abt entscheiden, dass schneller
gesungen wird.“ Eine euphemistische Formulierung insofern, als das „ora
et labora“ während dieser Zeit bereits in seine zwei Bestandteile
zerlegt war: „ora für die
Mönche und labora für die
Konversen.“4
Daß deren Arbeit zunehmend an Bedeutung gewann, spiegelt sich auch in
den Dekreten des Generalkapitels, der Versammlung der Äbte, die einmal
jährlich in
Cîteaux zusammentrat. Ging es
zunächst primär um die für alle Zisterzen verbindliche Auslegung von
Details der Liturgie, nahmen später wirtschaftliche Fragen zunehmend
größeren Raum ein.
Aber selbst durch schnelleres Singen oder
dadurch, daß man sich (via Klosterhof) neue Arbeitsfelder wie den
Depositenhandel und das Versicherungs- geschäft erschloss oder – in England war das üblich
geworden – die Wollproduktion im voraus verkaufte, konnte die 1134
dekretierte Eigenwirt-schaft im ausgehenden 13. Jahrhundert nicht mehr
aufrecht erhalten werden: Die neuen städtischen Bettelorden
(Franziskaner, Dominikaner) kamen in Mode, den Zisterzen mangelte es an
Nachwuchs. Das Generalkapitel reagierte und erlaubte 1224, die Grangien
zu verpachten: „Bauen wir Gott einen Tempel lieber aus eigener Anstrengung (de nostro labore) als aus fremder (de alieno)!“ Derartige Aufforderungen, wie sie der 1147 in Cîteaux lebende Mönch (und spätere Abt) Isaak von Stella noch formulieren konnte, mußten jetzt offenbar ignoriert werden. Oder anders gesagt: Das Gebot Bernhards von Clairvaux, zwischen Arbeit und Kontemplation zu wechseln, dieses Grundmerkmal ihrer spirituellen Identität war den Zisterziensern, geblendet von der merkantilen Effizienz ihrer Grangienwirtschaft, undeutlich geworden. Great Coxwell Barn: Schwerings Inszenierung Wie läßt sich eine Zehntscheune so darstellen,
daß die Faszination angesichts der konkreten Erscheinung dieses 800
Jahre alten Gebäudes spürbar wird, zugleich aber auch die oben erwähnte
Ambivalenz des zisterziensischen "Wirtschafts- wunders“ zum Ausdruck
kommt? Schwerings Kunstgriff ist von brillanter Einfachheit, an der
jeder Zisterzienser seine helle Freude haben müßte. Im Umfeld der Grangie, etwa 30 m entfernt,
befindet sich ein Weiher, auf dessen Oberfläche – abhängig vom
Blickpunkt – eine Spiegelung der Scheune zu sehen ist: für Schwering
offenbar eine emblematische Konstellation im Rohzustand. Er modifiziert
dieses Angebot der Natur, d.h., er verringert die Distanz zwischen Teich
und Gebäude und erreicht damit zweierlei: Im oberen Teil des Bildes
zeigt sich, groß im Format, das Gebäude und, in der unteren Hälfte,
dessen Widerschein auf dem Gewässer: Über die Verdopplung des Volumens
der Grangie entsteht ein bildhafter Verweis auf den immensen Zuwachs an
wirtschaftlichen Aktivitäten der Zisterzienser. Nun gibt es ja Spiegelbilder, die dem
gespiegelten Objekt ziemlich genau entsprechen. Das aber ist hier nicht
der Fall, im Gegenteil. Und damit beginnt die Verwandlung des Abbilds in
ein Sinnbild. Schwering zeigt den Reflex der Scheune auf leicht bewegtem
Wasser, so daß der gesamte Komplex – en gros und en detail – als
verschwommenes Gebilde erscheint: mit unscharfen Konturen und
verwischten Farbdifferenzierungen, mit diffusen Übergängen zwischen
Licht- und Schattenzonen, wodurch plastische Einzelheiten – ein
wichtiger Faktor – quasi unkenntlich werden.
Portal Spiegellungng
_________________________________________ 1 J.H. Bettey, Wessex Ad 1000, New York, 2014, S. 39
2
Immo Eberl, Die
Zisterzienser, Stuttgart, 2002, S. 237
3
Winfried Schich, Topografische Lage und Funktion
Zisterziensischer Stadthöfe im Mittelalter, in: Wirtschaft und
Kulturlandschaft
4
Christian Hillen, Ora et
Labora - Zisterziensisches Wirtschaften in: Begleitbuch zur
Ausstrellung Die Zisterzienser – Das Europa der Klöster,
LVR-Landesmuseum Bonn, S. 126 |
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