ARMIN SCHREIBER
KUNST-PATERNOSTER
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 Comics made in Germany


Katalog-Cover Comics made in Germany

Comics made in Germany – 60 Jahre Comics aus Deutschland: Unter diesem Ausstellungs-Titel sind die „Schundheftchen“ nun doch – meinem ehemaligem Deutschlehrer dürfte der Kragen platzen – in den Hallen der Deutschen Nationalbibliothek angekommen. Hut ab, Gedenkminute!

Neuruppiner Bildserbogen von 1852

Neuruppiner Bilderbogen von 1852

Daß man so lange auf deren soziokulturelle Sanktionierung warten mußte, ist erstaunlich. Gehören doch Druckerzeugnisse „made in Germany“ wie die Neuruppiner Bilderbögen, deren erste Ausgaben noch als Holzschnitte herauskamen und später Vierzigtausender-Auflagen erreichten, zählen auch die Berliner Publikationen Ulk, die Kurt Tucholsky zeitweilig als Chefredakteur beschäftigte und Lachendes Jahrhundert mit Zeichnungen von Lyonel Feininger, und  – last not least – die erstmals 1845 erschienen Münchener Fliegende(n) Blätter, in denen Künstler wie Karl Spitzweg, Moritz von Schwind und Wilhelm Busch ihr Forum fanden, zu den vielzitierten Ahnen des Comics. Sie alle präsentierten sich auf beachtlichem Qualitätsniveau. Nicht von ungefähr beginnt die Geschichte der Weihnachten 1897 erstmals erschienenen Serie Katzenjammer Kids des aus Deutschland stammenden Einwanderers Rudolf Dirks im New York Journal mit dem Auftrag des Verlegers, „something like Max and Moritz“ auszutüfteln.

e. o. plauen, Vater und Sohn

e.o.plauen, "Vater und Sohn: Der schlechte Hausaufsatz",1934

In den 20er Jahren des 20. Jahrhundert sind Strips wie Stups von Max Otto durch die Grüne Post bekannt geworden oder e.o. plauens Vater und Sohn, denen man in der Berliner Illustrirte(n)Zeitung und später in Sprach- und Lesebüchern begegnen konnte. Vielleicht wäre der 9. Muse – zwecks Abkürzung ihres langen Weges zur Anerkennung – auch mit Verweisen auf einige ihrer exquisiten Diener zu helfen gewesen. Man denke an Reinhold Eschers Mecki, der seit 1951 in

 Cover zu Mecki 1957

Reinhold Escher, "Mecki" (1957; Neuerscheinung 2011

der Hör zu auftauchte oder an Reinhold das Nashorn, das im ab 1953 im Stern – inszeniert von keinem Geringeren als Loriot – sein Unwesen trieb.


 

Unvergessen auch Manfred Schmidts in der Quick agierender Meister-Detektiv, ein von altem Adel bei Kyritz an der Knatter abstammenden Gentleman namens Nick Knatterton.

Deutsche „Entwicklungshilfe“, die dem amerikanischen Comic während seiner Startphase zuteil wurde, zahlte die US-Comic-Branche nach 1945 großzügig zurück. Über Strips nämlich, die sich massenhaft im Gepäck amerikanischer Besatzungssoldaten, gelegentlich auch in CARE-Paketen befanden. Auf diesem Weg erreichten die „Schund-Heftchen“ deutsche Leser, wurden zum „Cliffhanger“ insofern, als sie die Neugier auf Fortsetzungen, auf dieses Medium generell entfachten und letztlich dazu beitrugen, daß bald auch deutsche Comics auf dem Markt waren: Der erste – Bumm macht das Rennenbereits 1947, also noch vor der Währungsreform, zum Preis von 2 Reichsmark.

Wie in den 80er Jahren Brösel-Werners Wortschöpfungen des Comic-Künstlers Rötger Feldmann nicht nur in der Umgangssprache, sondern auch in Getränke-Märkten (Bölkstoff = Bier) auftauchten, so waren 30 Jahre zuvor die Sprüche Nick Knattertons in Umlauf.  Daß Knatterton jede, auch die allerüberflüssigste Information mit „Kombiniere:...“ begann („Kombiniere: Bin soeben am Tatort eingetroffen.“), hat viele Nachahmer gefunden und nicht nur meine Tanten genervt. Darüber hinaus kommt in Manfred Schmidts Comic erstmals die besondere Fähigkeit des Mediums zum Vorschein, zeitnah und konkret auf  politische und kulturelle Veränderungen einzugehen. Im Verlauf des Rundgangs stößt man mehrfach auf solche Spiegelungen. So etwa bei den Comics von F.K. Wächter, Robert Gernhardt und F.W. Bernstein, in denen die Atmosphäre der 68er- Ereignisse greifbar wird (Zeitschrift Pardon). Oder bei Franziska Becker (Emma), die sich mit dem feministischen Alltag wahrend der 80er Jahre beschäftigt, und bei Gerhard Seyfried, der Spontis und Punks aufs Korn nimmt und ein Jahrzehnt später den Fall der Berliner Mauer zum Thema eines Albums macht.

Cover zu Ralf König Der bewegte Mann

Ralf König, "Der bewegte Mann", 1987

Bemerkenswert sind einige formale Experimente: Die Plastische Bilderzeitung Titanus etwa machte 1954 mit ihrer ersten Nummer den Versuch, das Publikum mit 3D-Strips zu beglücken, was offensichtlich fehlschlug, denn bereits mit der 3. Ausgabe hatte sich das Heftchen in Die Utopische Bilderzeitung verwandelt. Interessant auch die  Bemühungen, das Ausdruckspotential kindlichen Gestaltens zu nutzen. Während Hartmut Klotzbücher (alias „Haggi“) mit Strichmännchen experimentiert (Der Hartmut hat sie alle), wirken die Knollennasen-Charaktere von Ralf König (Der bewegte Mann) und Walter Moers (Kleines Arschloch) wie Figuren, bei deren Erfindung die Erinnerung an kindliche Knetgummi-Modellierungen mitgewirkt hat.

Cover zu Sascha Hommer Insekt

Sascha Hommer, "Insekt", 2006

Was wegen räumlicher Beschränkungen und aus konzeptionellen Gründen fehlt, sind Publikationen, die nur – man denke an die Mecki-Seiten des großartigen Zeichners Reinhold Escher (1905 – 1994) – in Zeitschriften veröffentlicht wurden. Ebenso vermißt man Arbeiten jüngerer Künstler wie „Insekt“ von Sascha Hommer (*1979): Insgesamt aber eine sehenswerte Schau – mit dem Mut zur Lücke.

 

 

 

Erschienen in Konkret 5/2008

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