ARMIN SCHREIBER |
KUNST-PATERNOSTER |
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Joann Sfar, "Chagall in Russland", hier: auf einem Feldweg bei Witebsk Egon Schiele in Aktion Edward Munch: "Dachte nichts mehr." Komplizierte Freundschaft: Edvard Munch und August Strindberg Hannah Höch und Kurt Switters Handlungsvorschläge aus "White Cube" |
20.
November 1978: Snoopy, zur Peanuts-Family gehörender Haushund
mit erkennbarem Hang zum Philosophieren, sinniert über Christos
Valley Curtain und
Running Fence. Und
während sein Gedankengang gerade die
Wrapped Walkways in
Kansas City erreicht, überfällt ihn die Frage, was der Künstler
wohl als Nächstes machen wird. Kurzer Sprint nach rechts und die
Antwort steht vor ihm: Seine Hundehütte – verpackt! 25 Jahre
später übrigens erwidert Christo den kollegialen Gruß, wickelt
Snoopys Behausung ein und übergibt sie dem Charles M. Schulz
Museum in Santa Rosa, Kalifornien.
Während die
Cartoonisten, Wegbereiter der 9. Muse im 19. Jahrhundert, den
Kunstbetrieb von Beginn an im Blick hatten, Künstler wie Gustave
Courbet, Edouard Manet, auch die Überflutung der Salons durch
Landschaftsmalerei aufs Korn nahmen, hat die Kunst beim frühen
Comic kaum Spuren hinterlassen. Fündig wird man erst in
Entenhausen. Den Recherchen des Donaldisten Josef Spiegel
zufolge müssen die Ducks extrem kunstsinnige Zeitgenossen
gewesen sein! Okay, Onkel Dagobert malte sich – mit Blick auf
Andy Warhols Siebdruck
Dollar sign (1981) – sein „Dollar-Zeichen“ selbst, ansonsten
aber hängt dort die Crème de la Crème an den Wänden. Die
allseits bekannte Mona, hier im Schaukelstuhl sitzend und von
Leonardo da Pinsli, einem Neffen des großen Meisters gemalt, ist
ebenso vertreten wie Vincent van Dogh, Friedel Fricasso oder
Otto Ducks, dessen „Schwarzes Quadrat ohne weißen Grund“ über
Donald Ducks Fernseher hängt. Was den
aktuellen von der 9. Muse inspirierten Output betrifft, da muß
man nach „Kunst“ nicht
lange suchen, denn unter den Neuerscheinungen 2013
sind die
Maler-Biographien kaum zu übersehen. Eine Initiative der
Verlage, um per “bedeutendes“ Sujet dem Markenzeichen „Graphic
Novel“ die Aura des Besonderen zu erhalten? Sicherlich auch.
Vermutlich aber kommt der Impuls eher von den Zeichnern: Einen
Künstler zu porträtieren, der sich – wie sie selbst – per Pinsel
und Farbe artikuliert, dürfte bei ihnen den Adrenalin-Spiegel
anheben. In der bei
Willi Blöß erscheinenden Reihe
Künstler-Biografien
(32 Seiten im Postkartenformat, 3 Euro!) werden auch
Zeitgenossen wie Klaus Staeck oder David Hockney vorgestellt.
Ansonsten dominiert die klassische Moderne: Edvard Munch, Pablo
Picasso, Kurt Schwitters, Marc Chagall, Egon Schiele. Und wer es
noch nicht weiß, lernt dies auf jeden Fall: Die Libido hat den
Aufbruch der Künstler in die neue Epoche durchaus befördert. Interessanter ist ein anderer Aspekt. Sichtbar nämlich wird ein Qualitätssprung, den offensichtlich Picasso und Co. bei den Zeichnern ausgelöst haben. Während Joann Sfar die Nähe zur Kunst des Porträtierten primär über die Einbindung der Chagallschen Motive herstellt, greift Xavier Coste (Egon Schiele, Knesebeck Verlag) formale Elemente auf und bringt den Kontrast von Schieles dandyhafter Erscheinung und innerer Verfassung mittels diskret adaptierter Linienführung zum Ausdruck.
Steffen Kverneland (Munch,
avant-verlag) agiert virtuos mit expressionistisch-kubistischem
Formenrepertoire. Er folgt damit dem Credo seines Protagonisten,
nicht zu malen, was man gerade sieht, sondern was man
wahrgenommen hat und bringt so die Gestimmtheit der Akteure ans
Licht: Inszeniert mit bildnerischer Komik, so dass auf jeder
Seite neue grafische Sensationen auftauchen. Das gilt
ebenso für die Kurt-Schwitters-Biografie (Herr
Merz, avant-verlag) von Lars Fiske. Seine grotesken, höchst
unterhaltsamen Zeichnungen entfalten einen fast schon genial zu
nennenden Einfall: Aus den konstruktivistischen Materialcollagen
des „Herrn Merz“ extrahiert er Gestaltungselemente, witzige
visuelle Abkürzungen, die Freund und Feind in ihre Obhut nehmen.
Hannah Höch mutiert zur charaktervollen Vogelscheuche, Gestik
und Mimik der Dada-Gegner wirken, als seien die Herren mittels
rudimentärer Roboter-Programmierung animiert. Fiskes und
Kvernelands Sicht auf ihre Heroen ist nicht heroisch. Auch
Brecht Evens (Die
Amateure, Reprodukt) und Brecht Vandenbroucke (White
Cube, avant-verlag) verzichten bei ihrer Inspektion des
Kunstbetriebs auf jedweden Kotau. Evens schickt seine Leser ins
Flandrische hinter die Kulissen der
Beerpoeler Biennale, wo
sie den (vielsagenden) Kunstgesprächen der dörflichen Avantgarde
folgen und feststellen können, dass sie einige der Sätze
durchaus schon ´mal (auf der letzten Documenta?) gehört haben.
Vandenbroucke lässt glatzköpfige Zwillinge – männliche
Gegenstücke zu „Eva & Adele“ mit einem Schuß
Meister Propper – in
Modern-Art-Ausstellungen all das tatsächlich tun, was man als
Besucher zu 99 % nur im Kopf abwickelt: Umhängen, abhängen,
korrigieren. White Cube,
ein Museumsführer, der es in sich hat!
Erschienen in der Kunstzeitung 12/2013
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