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Unter den zahlreichen
Liebschaften des Zeus ist es vor allem dessen Begegnung mit Leda, die
Künstler wie Michelangelo, Correggio, Rubens oder Botero zu
hocherotischen Bildern inspirierte:
Beim
Baden im Fluß Eurotas, so die Überlieferung, soll der auf Abwege
geratene Göttervater die Königin entdeckt und sich zwecks Tarnung
und Verführung in einen weißen Schwan verwandelt haben: Einem der zwei
Eier, die Leda zur Welt brachte, entschlüpfte die später sogenannte
Schöne Helena.
Von einer ähnlichen Interaktion handelt der 1990 erschienene Comc
Tulipan dámore
des Italieners Silvio Cadelo (*1948), wobei hier
die hübsche Gärtnerstochter Melanie mit einer schnell wachsenden
extraterristischen Topfpflanze namens Tulipan, die ihre Offerte mittels
fein parfümierter Düfte formuliert, nach allen Regeln der Kunst
kopuliert. Nach beendigter Mission holen seine vegetativen Kumpane den
Sprößßling in die Milchstraße zurück. Der Leser aber wird mit Blick auf
zwei schnäbelnde Schwäne, die noch einmal an den mythologischen Ursprung
der Story erinnern und der Frage, welche Gestalt wohl Melanies Nachwuchs
haben könnte, in die Wirklichkeit entlassen.
Auch in anderen Arbeiten des Künstlers -
Die Saga von Alandor (Szenario:
Alejandro Jodorowsky), Vogliadicane
(Mordlust) und
Perverse Alice,
einer Paraphrase auf
Alice in Wonderland -
spielen Liebe resp. Sexualität eine wichtige
Rolle. Aber nicht wegen der aparten Inhalte seiner
SF-Fantasy-Geschichten gehört Silvio Cadelo zu den herausragenden
Comic-Zeichnern der Gegenwart. Es sind die alles Gewohnte verrückenden
Bilderfindungen und eine zunächst verwirrende Art der Umsetzung, die
seinen Ruf als solitäres Phänomen der Branche begründet haben.
Als
Die Saga von Alandor
- Cadelo nennt Bosch und Breughel als große
Vorbilder - in den 80er Jahren nördlich der Apen auftauchte, lösten
seine mondänen Bastarde, exorbitante Kreationen und Kreuzungen
u.a. zwischen Mensch, Eidechse und Libelle, selbst bei Profis Irritationen
aus. Und weshgalb? In seinem Universum "gelten Bilder" - so einer der
Protagonisten - "mehr als Worte", ein Satz, den zwar viele von Cadelos
Kollegen dick unterstreichen würden, der aber nur selten so rigoros und
zugleich mit lufig-lässiger Eleganz verwirklicht ist wie hier: Was
allein die puren Formen der tierischen Fluggeräte und architektonischen
Gebilde, vor allem aber des Personals der Story an Verfremdungspotential
entfalten, steigert sich nochmals durch eine extrem künstlich wirkende
Kolorierung. Kobaldblau etwa oder Signalrot aus der Tube gibt es nicht.
Statt dessen, als seien Figuren und Gegenstände allesamt Ausbeburten des
Regenbogens, Zwischentöne wie Rosa, Türkis, Lila und Lichter Ocker, oft
in gleicher Helligkeit nebeneinander gesetzt, so daß die Formen
vibrieren und auf den ersten Blick kaum zu fassen sind.
Hinzu kommen rasante Wechsel von der Totalen zur Naheinstellung und
Bilder, die im An- und Ausschnitt unbekannte Details zeigen, bevor die
jeweiligen Objekte, Monster oder Maschinen, in toto erscheinen. In
Verbindung mit häufig changierenden Blickpunkten geraten auch die
räumlichen Gegebenheiten ins Rutschen und kurzfristig verliert man -
eine merkwürige Wahrnehmung! - die Orientierung. Und steht verblüfft vor
einer so noch nie gesehenen schlingernd-phantastischen Welt.
Erschienen in der Kunstzeitung 4/2003
(plus Ergänzungen)
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