ARMIN SCHREIBER |
KUNST-PATERNOSTER |
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Herkules als Großgemälde bei der 14. Documenta in Athen |
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Adam Czymczyk, Leiter der 14. Documenta Der "Farnesische Herkules", 1546 in Rom ausgegraben Der "Kasseler Herkules", seit 1717 in Wilhelmshöhe |
Adam Szymczyk auf die Frage, ob
es auf seiner Documenta auch Malerei geben werde: Es sei schwierig, „mit
Gemälden etwas Bedeutungsvolles auszudrücken, ohne dass es gleich
reaktionär oder marktgerecht erscheint.“ Okay, er könnte Richter,
Baselitz, Kiefer, Katz & Co. meinen und dagegen wäre nichts einzuwenden.
Wie aber reagiert er auf Bilder, die abseits der Großmeister-Szene
(vulgo: des aktuellen Hypes) entstehen? Nicht, gar nicht: Fehlanzeige!
Bei aller Sensibilität für die (im Kunstdiskurs hoch favorisierte)
„Peripherie“, die ihm das art-magazin ausdrücklich attestiert:
dieses Segment der Peripherie
(der Kunst-Paternoster liefert einige Beispiele) ist ihm dann
offensichtlich doch zu peripher.
Wie dem auch sei: Auf der 14.
Documenta soll die Malerei keine Rolle spielen. Was unsereins in
temporäre Depression versetzt, à la longue sogar zu Herrn Sorges
„Verschwörungstheorien mit schönen Melodien“ treiben könnte, auf jeden
Fall aber vom Besuch der nächsten Documenta abhalten wird, und das trotz
der exquisiten Bratwürste und Schweinshaxen, die in der Catering-Zone am
Fridericianum sicherlich auch 2017 wieder ihren Duft entfalten werden,
genau das, diese Ausgrenzung der Malerei, hat, aber vielleicht täusche
ich mich, in Kassel die Gründung einer Initiative ausgelöst, die auf den
Namen „DER HERKULES BESUCHT DIE WELT e.V.“ hört, am 2.10. 2015 ins
Vereinsregister eingetragen wurde und der Kunstgattung „Bild“ unter die
Arme greifen will. Genauer gesagt, einem bestimmten Gemälde mit dem
Titel – Sie ahnen es – „Herkules“
und das soll, nach Probeläufen u.a. auf der Innovationsmesse Baunatal
(2014) und beim Hessentag in Hofgeismar (2015), im April 2017 pünktlich
zur Eröffnung der Documenta in Athen zu sehen sein.
Fabriziert hat das 9 Meter-Format
der Kasseler Künstler Wolfgang Loewe und gemeint ist nicht irgendein
Herkules, sondern der „Kasseler Herkules“, der seit 1717 hoch oben im
Bergpark Wilhelmshöhe steht: eine 8,25 Meter große Kupferblech-Kopie des
1546 in Rom ausgegrabenen „Farnesischen Herkules“, der wiederum als
Kopie eines Werks des griechischen Bildhauers Lysipp gilt.
Seine Aufgabe in Athen? „Er wird
Gäste aus aller Welt grüßen und ihnen den Weg in die documenta Stadt
Kassel weisen“ und „uns ermutigen, für eine Zukunft in Gesundheit,
Frieden und Freiheit in aller Welt einzutreten.“ Bravo! Wer sonst wäre
für diesen Posten besser geeignet als der halbgöttliche Supermann: Schon
als Jugendlicher erschlug er seinen Musiklehrer, klaute
– im
Vollzug der 12 glorreichen Taten
– die goldenen Äpfel der Hesperiden, die Rinderherde des Riesen Geryon
und den Zaubergürtel der Amazonenkönigin Hippolyte.
Abgesehen davon ist zu
bezweifeln, ob „Der Herkules …“ in der hier gezeigten Form überhaupt
sowas wie Ermunterung evozieren kann. Bis ins 19. Jahrhundert wurden
Bilder in Grautönen untermalt, um vor allem die plastischen
Gegebenheiten vorab zu klären. Einen solchen malerischen Erstentwurf
präsentiert Loewe als Endfassung. Das ist nicht verboten, aber in diesem
Fall bildtaktischer Blödsinn.
Angesichts der hypertrophen Muskelmassen nämlich wirkt der kalkig-graue
Heldenkörper, als habe der ungezügelte Konsum von Protein-Pudding die
Bizepse ins krankhaft Groteske anschwellen lassen und ihm mehr als nur
den Magen verdorben. Das zeigt sich an der Verfärbung der Epidermis: Ist
sie nicht eher ein Symptom für den lauernden Juckreiz, der den Herkules
bekanntlich überfiel und in den Selbstmord trieb, keinesfalls aber
geeignet, uns zu „ermutigen“?
Ein solches Bild also soll zwar
nicht auf, aber immerhin
bei der Documenta hängen! Man könnte es (schadenfroh) als maskierte
Quittung sehen für die einfältige Willkür, mit der Documenta-Kuratoren
der Auseinandersetzung mit neuer formbewußter Malerei aus dem Wege
gehen. Nachtrag: Inzwischen schreiben wir den 21. April 2017, aber der Kasseler Herkules scheint den Weg nach Athen ganz offensichtlich nicht geschafft zu haben. Leider, denn auf die o.a. Schadenfreude muß ich nun wohl verzichten. Der Trost andererseits: Den Besuchern, für die es in Athen genug zu lernen gibt, bleibt der Anblick dieses halbgöttlichen Homunkulus erspart. |
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