Gegen Eintritt zu besichtigen:
Makarts Atelier
um 1875
Hans Makart, "Die fünf Sinne", 1872/79
Makarts Cousine: "Porträt Clothilde Beer", 1878
Wilhelm Leibl, "Kopf eines Bauernmädchens", 1880 |
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„Ziaglbehm“
1869 empfahl der Oberhofmeister Constantin Fürst zu
Hohenlohe-Schillingsfürst seinem Kaiser Franz Joseph, den Maler
Hans Makart, geboren 1840 in Salzburg, nach Wien zu berufen.
Dessen „Moderne Amoretten“, etwas dicklich geratene,
weißfleischige Nymphchen beim schwülstigen Ringelrein, hatten es
Durchlaucht angetan und von ihrem Schöpfer erwartete er frische
Impulse für das kulturelle Leben der Residenzstadt.
Kein Problem! Makarts Atelier, vollgestopft mit kostbaren
Kuriositäten aus aller Welt, wurde Treffpunkt der k. u. k.
Society. Hier konnte man staunen und nicht fassen, in welch
genialem Tempo skandalträchtige Riesenformate wie „Der Einzug
Karls V. in Antwerpen“ entstanden: Opulent inszenierte visuelle
Balladen über weit zurückliegende historische Momente, die nicht
nur die Damenmode der jeweiligen Epoche freizügig
interpretierten, sondern dem aufstrebenden Bürgertum zu einer
mentalen Barriere gegen die naturwissenschaftlich-technischen
Neuerungen der Zeit verhalfen und zugleich ihr Laster
befriedigten, in Sachen Präsentation mit dem Adel
gleichzuziehen.
Die Bilder des „Malerfürsten“ offerierten dafür Anregungen en
masse: Makart-Hut, Makart-Dekolleté
und -Baiser, zudem – unerläßlich für jede bürgerliche
Wohnstube – das Makart-Bouquet, ein Gebinde aus künstlichen
Blumen, Straußenfedern, vergoldetem Pampasgras, das im
Zusammenspiel mit dunklen Neo-Renaissance-Möbeln für
beispiellose Effekte sorgte. Man lebte, kurzum, im Makart-Stil.
Einige der vom Künstler proträtierten Frauen indessen – das
zeigen die
Ausstellungen „Makart – Ein
Künstler regiert die Stadt“ (Wien Museum im Künstlerhaus)
und „Makart – Maler der Sinne“ (Unteres Belvedere, Wien –
fühlen sich ausgesprochen unwohl in diesem Ausstattungs-Theater.
Die formale Diskrepanz zwischen eleganter Bühnenmalerei von
Kostüm und Staffage und dem altmeisterlichen Zugriff, der die
Gesichter plötzlich menschlich macht, deutet an, was deren Mimik
präzisiert: die Empfindung nämlich, mit Attributen einer ihnen
fremden, falschen Welt drapiert zu sein. Aus ihr übrigens
verabschiedete sich der Maler, 42-jährig, wegen Syphilis.
Der Gesichtsausdruck dieser Frauen nimmt das Resümee der
Ausstellungen vorweg: Den fragmentarischen Dokumenten, die einem
angesichts der Werke unwillkürlich in den Sinn kommen
(„Ziaglbehm“ [Ziegelböhmen], die täglich 12-16 Stunden arbeiten
mußten, um das Baumaterial für die Prunk-Palais der neu
angelegten Ringstraße zu beschaffen; Dienstpersonal, das im
Küchen- oder Kommodenbett zu schlafen hatte; Tagelöhner in ihren
Lumpen) haben die großen Huldigungsgemälde ebenso wie die
Allegorien zum Thema
„Handel und Industrie“ nichts Kunstwertiges entgegenzusetzen.
So war denn auch („Ihre Meinung bitte!“) die Frage eines
Schülers nach dem besten Bild dieser Schau leicht zu
beantworten: Es ist
– und hängt in der Sektion „Makart, Freunde und Kollegen“ –
Wilhelm Leibls „Kopf eines Bauernmädchens“.
Konkret: 8/2011
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