ARMIN SCHREIBER |
KUNST-PATERNOSTER |
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Wer ist Ivan Albright? | ||||||||||||||||||||
Dieter Asmus, "Porträt Ivan Albright", 1983 Daß Ivan Albright
Maler werden sollte, diesen Wunsch des Vaters –indirekt formuliert durch
den in Verehrung für Claude Lorraine gegebenen Namenszusatz „Le
Lorraine“ – hatte man ihm gleichsam in die Wiege gelegt. Daß er
schließlich Maler wird und nicht, wie zwischenzeitlich wiederholt
erwogen, Chemie-Ingenieur oder Architekt, das entscheidet sich definitiv
erst 1925. „I was going for
form“, sagt Albright später im Rückblick auf seine Startphase, wobei
„running“ den Sachverhalt besser getroffen hätte. Denn innerhalb von
zwei Jahren – das zeigen die zwischen 1926 und 1928 entstandenen
Arbeiten –findet und präzisiert er
das konstituierende Element seiner auf Gegenständliches hin
ausgerichteten Bildsprache: das rhythmische Chiaroscuro plastischer
Oberflächen.
Möglicherweise hat
ihm Carl Einsteins Die Kunst des
20. Jahrhunderts (1926) als Schrittmacher gedient. Das Werk nämlich
enthält u.a. Texte von und Abbildungen zu Beckmann, Dix und Grosz und
wird von Albright als „good book“ (notebook
Nr. 45, 1926) bezeichnet. Wie auch immer: Seine frühen Bilder weisen
eine gewisse Nähe zur Neuen
Sachlichkeit auf. Relativ schnell
jedoch erweitert und individualisiert er den Kanon seiner Bildmittel.
Die Farbe, vorher nur als Medium zur Formulierung der Volumina genutzt,
entfaltet nun auch ihr spezifisches Wirkungspotential. Zugleich werden
grafische Elemente und Texturen in das plastische Konzept integriert.
1931, mit
Hieraus erhebt sich nun die
Illusion einer dritten Dimension, stellt Albright sein erstes
„lärmendes“ Stilleben vor: senkrechter Blick auf eine farbig funkelnde,
hyperplastische Tischlandschaft, bebend, wie kurz nach einer
tektonischen Erschütterung. Evoziert wird dieser Eindruck von
permanenter Bewegung durch den jeweils anderen Blickpunkt, von dem aus
die einzelnen Dinge gesehen sind. Über die Einbindung des von den
Kubisten der wechselnden Perspektive setzt er ein deutliches Zeichen:
Hinter Braquze und Picasso wird er nicht zurückfallen. Und noch etwas
signalisieren dieses und die folgenden Bilder: Mit Beginn der 30er Jahre
figuriert Ivan Albright als eigenständig-eigensinniger Maler auf der
Zeitleiste der Kunstgeschichte, und es ist bemerkenswert, daß sich auch
die ersten markanten Qualitätsurteile auf diese Werkphase beziehen.
Die
Life mit Bezug auf das erwähnte Stilleben 1944: „… perhaps the best
that ever has been done in this country“. 1946 schreibt der
London-Korrespondent des Magazines
of Art über eine Ausstellung in der
Tate Gallery („Amerikanische
Malerei vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“, Albrights
That Wich I Should Have Done I Did
Not Do habe allen anderen “die Schau gestohlen”.
Jean Dubuffet,
nachdem er dieses Werk (verkürzter Titel
The Door) 1951 in Chicago
gesehen hatte, geht noch einen Schritt weiter und formuliert emphatisch:
„Es ist ein Bild, das man nicht vergißt, und es scheint mir eines jener
eindrucksvollen Werke zu sein, die es wert sind, bis ans Ende der Welt
betrachtet zu werden.“ Interessanterweise
aber und im Gegensatz zu den nobilitierten Künstlern der nächsten
Generation wie Jackson Pollock z.B. oder Willem de Kooning, die ihre
nationale Reputation als Treibsatz für eine internationale Karriere
nutzen konnten, bleibt Albrights Präsenz –von einigen
Ausstellungsbeteiligungen in England, Frankreich und Deutschland
abgesehen – auf die USA beschränkt. Und auch hier, seit Mitte der 50er
Jahre etwa, mit reduzierter Resonanz. Unbeeindruckt jedoch
von den zunehmend stärker favorisierten Werken der gegenstandslos
arbeitenden Kollegen hantiert er weiterhin mit Bierflaschen, Zitronen,
Schmuckschatullen, seinem „philosophischen Spielzeug“. Er ignoriert das
Manet`sche Postulat und
Credo der Moderne („plus c´est plat, plus c´est de l´art“) und hält
dagegen: eine – wenn man so will –Apologie der dritten Dimension. |
Hat die Kritik dies
als unmodern, als Rückschritt empfunden? Waren die Titel seiner Arbeiten
– zu einer Zeit, wo Bezeichnungen wie „No. 61“ oder „Ragen 23“
reüssierten – zu
literarisch? Fehlte bei Albright,
für den die Lesbarkeit der Ausdrucksmittel erste Priorität besaß, was
Hilton Kramer, ehedem Kunstpapst der New Yorker Szene, „eine
überzeugenden Theorie“ genannt hat? Oder ganz profan: Mußte er, der nach
außen hin ein eher bürgerliches Leben führte und die Vorstellung, als
Künstlerdarsteller aufzutreten, zutiefst verabscheute, von den Medien
nicht zwangsläufig übersehen werden!
Und die Reaktionen
heute? „Shock – shocking…“ flüsterte eine junge Texanerin vom dem
Bildnis des Dorian Gray, das den jungen Dandy im Endstadium seines
Verfalls zeigt. Und die Reaktion des jungen Mädchens ist
nachvollziehbar: Albright – auf Fotos macht er den Eindruck eines
heiter-freundlichen, in sich ruhenden Mannes –muß vor der Staffelei in
einen Zustand aus Disziplin und Raserei geraten sein. So wie Uccello von
der „prospectiva“ besessen war und Lanzen, Helme, Hasen auf den
Fluchtpunkt zu hinfallen oder hinlaufen ließ, so wird bei Albright jedes
Bild zu einer ekstatischen Beschreibung des Aufblühens einer Gestalt im
Zerfall. Als müßte er einen inneren Druck ableiten, staucht, presst und
faltet er Haut und Kleidung seiner Protagonisten. Über die optische
Modellierung der Falten und Furchen entsteht eine pulsierende
Oberfläche, auf der grafische Elemente, Farbe, Textur, gesteigert durch
schräg einfallendes Oberlicht, eine provozierende Wirkung erzielen. Die Präsenz seiner
Personen ist drastisch. Und drastisch tritt auch ihre
psychisch-physische Befindlichkeit zutage: ihre hochgradige Erregung,
ihre körperliche Auflösung. Altersbedingte Stoffwechselstörungen und
eine ständige Gereiztheit scheinen sich an der Oberfläche abzubilden.
Textilien und Epidermis zeigen ein vibrierendes Geflecht aus
kleinteiligen Strukturen und fluoreszierenden Farbpartikeln, die sich
teilweise vom Körper ablösen. Die Kontur scheint sich zu öffnen und läßt
ein leichtes Flackern sichtbar werden, vergleichbar dem uns bekannten
Erscheinungsbild von Protuberanzen, so daß die Vorstellung eines
kosmischen Ereignisses en miniature entsteht.
Unter seinem Blick altern die Personen, die ihm Modell sitzen. Aus der gerade erst erwachsenen Ida (Into the World There Came a Soul Called Ida, 1930), ein „braves, nettes Mädchen“, wie Albright später anmerkt, wird eine 50-, 60-jährige Frau: dick, mehrfach geliftet und mit geschwollenen Beinen. Auch ihn selbst erwischt der Verfall bereit im Alter von 37 Jahren (Und der tatsächlich schon 76-jährige Vermonter (1977) scheint bei noch eben ausharrendem Körper bereits in einen jenseitigen Zustand überzuwechseln.
Neben den Personen geraten vor allem Gegenstände
in den Sog der Albrightschen Zeit- bzw. Transformationsmaschine, sofern
sie Signale der Destruktion abgeben. Über die Kombination verschiedener
Dinge mit weit auseinanderliegenden Verfallsdaten gelingt ihm –
wechselnd von einem Objekt zum nächsten – die suggestive Beschreibung
der Auflösung gleichsam von A bis Z, vom ersten Riß in der Dollarnote
(auf Idas Schminktisch) bis zum Zerfall eines Stuhlbeins in sein
materielles Substrat.
In Poor Room - There is No Time, No End, No Today, No Yesterday, No Tomorrow, Only the Forever, and Forever and Forever Without End
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